Reisebericht der Studienreise des VÖNL nach Rumänien

BANAT UND SIEBENBÜRGEN – und ihre kulturellen Brücken ins Baltikum

Unter der fachkundigen Leitung von Herrn Dr. Wolfgang Sand erlebten wir eine äußerst intensive und informative Studienreise 5.-13. Mai auf den Spuren von Gemeinsamkeiten zwischen den Völkern des Baltischen Raumes und jenen Rumäniens, insbesondere Siebenbürgens.

Unsere Reisegruppe bestand aus 17 interessierten Menschen aus insgesamt fünf Ländern, wobei die Verstärkung aus Deutschland die Reise erst ermöglicht hatte.

Am Abend des ersten Tages wurden wir zu einem kleinen privaten Konzert in den ehrwürdigen Räumen des Domkapellmeisters von Temesvar, Herrn Univ.-Prof. Dr. Walter Kindl, eingeladen. Herr Prof. Dr. Kindl ist wie unser Reiseleiter ebenfalls Musikfachmann und Orgelvirtuose. Er begleitete uns auf der ganzen Reise. Die beiden Herren sind seit vielen Jahren eng befreundet, was sie aber nicht davon abhielt, sich gegenseitig mit liebenswürdigem Humor intellektuelle Grabenkämpfe zu liefern, die uns lange Busfahrten würzten und verkürzten.

Jeder von uns Teilnehmern wird noch öfter über den vielen Informationsblättern sitzen, die wir von Dr. Sand bekamen, mitunter noch in der Nacht zuvor geschrieben und gedruckt. Über eine vom Karpatenbogen umschlossene Landschaft, die von lieblichen Flusstälern mit sächsischen Dörfern, Weiden mit hunderten von Schafen mit ihren Hirten, herrlichen Kirchen und Kirchenburgen, Burgruinen und den Perlen der Städte bis hinauf ins Hochgebirge, das nach einem verregneten, kalten Tag bis weit herunter verschneit war, geprägt ist.

Die Geschichte dieses Gebietes ist äußerst vielschichtig. Einst das Reich der Daker, das von Kaiser Traian erobert wurde und ab 105 bis 271 n.Ch. die Römische Provinz Dacia Traiana wurde. Später immer wieder von Volksstämmen aus dem Osten überrannt. Durch das heutige Gebiet Rumäniens zogen in der Zeit der Völkerwanderung nicht nur Goten, Hunnen, Slawen sondern auch vom Ural kommend finno-ugrische Volksstämme, die sich in zwei Ströme ausbreiteten: teils in den nördlichen Ostseeraum bis Finnland und teils in die Regionen von Siebenbürgen bis über die mittlere Donau. Die heutigen Ungarn und die siebenbürgischen Szekler dürfen als ethnische Geschwistervölker von Esten, Finnen und den ausgestorbenen Liven gelten. Sie haben eine gemeinsame ethnische Wurzel in einem großen finno-ugrischen Volksstamm.

896 erfolgte die sogenannte „Ungarische Landnahme“, als der Stamm der Magyaren sesshaft wurde und im weiteren im Jahr 1000 König Stephan der Große das Christentum (römisch-westlicher Ausrichtung) für sich und sein Volk übernahm.

Durch Kriege und Seuchen entvölkert, wurde ab dem 12. Jahrhundert in den Gebieten der Szekler und Magyaren auch die Einwanderung von moselfränkischen sog. „Sachsen“ gefördert.

Der Deutsche Orden, ehemalige Kreuzritter nach ihrer Rückkehr aus dem „Heiligen Land“, gründete Städte mit Kirchenburgen in Siebenbürgen (z.B. Marienburg, Kronstadt) zur Verteidigung gegen einfallende Mongolen. Bereits 1225 wurde der Deutsche Orden vom Ungarischen König des Landes verwiesen und zog daraufhin weiter in Richtung Norden über Polen bis an die Ostsee.

Einschneidend für die weitere Geschichte war die Schlacht bei Mohatsch (1526), nach der die gesamte Region für Jahrhunderte unter Osmanische Herrschaft geriet – bis zum Zurückdrängen der Türken durch die Erfolge von Prinz Eugen von Savoyen. In weiter Folge kam das Gebiet unter Habsburgs Herrschaft, was sich im Baustil der Städte und einer geregelten Verwaltungsstruktur ausdrückte. Wieder wurde die Neuansiedlung einer Bevölkerung notwendig und so kamen die sogenannten „Donau-Schwaben“ ins Land.

Die Reformation der katholischen Kirche durch Martin Luther im 16. Jhdt. hat sich in diesen Gebieten besonders rasch und vor allem friedlich verbreiten können. Maria Theresia, strenge Katholikin, hat überdies aus dem österreichischen Raum tausende Evangelische, die sich nicht beugen wollten, nach Siebenbürgen /Banat ausgewiesen, sodass der evangelische Glaube dort vorherrschend wurde. Zeugen davon sind stattliche evangelische Gotteshäuser, neben denen jedoch auch katholische und griechisch-orthodoxe Kirchen in Städten und Landgemeinden anzutreffen sind. Viele davon konnten wir kennenlernen. Unsere beiden Orgelvirtuosen, verstärkt durch lokale Experten in den jeweiligen Kirchen, haben uns mit vielen schönen Kantaten und Fantasien erfreut.

In diesem riesigen Schmelztiegel ist bis heute eine friedliche Existenz zwischen Völkern und religiösen Bekenntnissen erhalten geblieben. Viele Informationen werden in drei Sprachen angeboten: Rumänisch, Ungarisch und Deutsch. Aber die Zeugen der Vergangenheit zeigen, dass wir uns auf blutgetränktem Boden bewegen: Kirchen sind von Festungsanlagen mit Wehrgängen ummauert, in denen Zimmer, Vorratsräume, Ställe und sogar Schulräume die Bewohner der Ortschaft samt Kindern und Tieren über mehrere Wochen während einer Belagerung aufnehmen konnten. Im Durchschnitt mussten die Siedler alle 15 Jahre ihre devastierten Häuser und Felder neu errichten!

Musikalische Splitter:

Wie bei dieser hochkarätigen musikwissenschaftlichen Reiseleitung zu erwarten, erfuhren wir nicht nur vieles über die Orgelausstattung der Kirchen sondern auch einiges über Komponisten, die in diesen Landstrichen lebten und tätig waren.

Wir lernten Werke von Ciprian Porumbescu (1853-1883), von Rudolf Lassel (1861-1918), der auch „Siebenbürger Mendelssohn“ genannt wurde, kennen.

Wir hörten, dass Michael Haydn und danach Carl Ditters von Dittersdorf Kapellmeister beim Bischof von Großwardein – dem heutigen Oradea – waren.

Reisesplitter:

Unsere erste Raststation war das Kloster Martinsberg (Pannonhalma), mit prächtiger Bibliothek (erste Schrift in Ungarisch, Prozessbericht Martin Luther in Worms im Original) und einem köstlichen Mittagessen mit viel Kennenlern-Effekt.

Sachsendörfer, die Häuser im typischen Stil mit großen Einfahrtstoren. Leider zogen und ziehen seit 1990 (Ostöffnung) viele Bewohner nach Deutschland, ein Drittel nur ist geblieben. Wenige kommen wieder zurück und bauen ihren Besitz als Feriendomizil um oder gründen eine neue Existenz.

Streunende Hunde, Pferdewagen, schwer bepackte Fußgänger auf endlosen Landstraßen.

Die Kirchenburgen waren für uns auch deshalb interessant, weil es meist Toiletten gab. „Femei“ sind die Frauen, „Barbati“ die Männer. Ein Türriegel wäre nett gewesen, wir mussten Schmiere stehen.

Die ehemalige „Kaiserhymne“ bekamen wir in 8 Sprachen der Monarchie zu lesen.

Mieresch- oder doch Maros-Tal? Die beiden Experten konnten sich nicht einigen.

Mittagessen in Refektorien (Maria Ragna und Alba Iulia), wunderbares Ambiente und herzliche Begrüßung mit wärmendem Umtrunk.

Ein feste Burg ist unser Gott“ sangen wir in der Kirche einer verfallenen Zisterzienserabtei, auf der Orgel begleitet von Dr. Sand. Es war schön, die Kirche wieder zum Klingen zu bringen. Auf dem Grundstück nebenan wurde zur gleichen Zeit eine Trauung gefeiert, eine Metapher für neuen Aufschwung?

Die freundlich-verträumt blinzelnden Dachluken von Sibiu (Hermannstadt), 2007 Europäische Kulturhauptstadt. Hat sie Friedensreich Hunderwasser gekannt? Er verwendet oft ein ähnliches Motiv.

Die nette Gesellschaft in der Gruppe und das lokale kühle Ursus-Bier!

In Oradea, Großwardein, einer prächtigen Stadt am Fluss „Schnelle Kreisch“, ermöglichte Prof. Kindl für unsere Gruppe einen Besuch im Erzbischöflichen Palais, wo wir auch den Erzbischof selbst antrafen. Nach der Führung durch die Repräsentationsräume und die Kirche mussten wir uns leider von unserem Herrn Professor verabschieden; jedem einzelnen von uns ist es schwer gefallen.

(Gerhild Krutak, Maria Schmidt-Dumbacher)