In Memoriam: Mag. Imbi Sooman

Imbi Sooman

 

Am 16. November 2020 ist Imbi Sooman, langjährige Estnischlektorin an unserer Abteilung sowie Schwedischlektorin an der Skandinavistik, im estnischen Käsmu verstorben.

Imbi Sooman war eine legendäre Gestalt, ohne die man sich die Geschichte unseres Instituts gar nicht vorstellen kann. Viele spätere Mitarbeitende an der Universität Wien haben lebhafte Erinnerungen an ihren berühmt-berüchtigten Sprachunterricht aus ihrem Studium. Bei Imbi Sooman gab es niemals einfach „Konversationstraining“; stattdessen gab es professionell inszenierte Rollenspiele mit echtem Bühnencharakter. In diesen war ihre Liebe für das Theater – eigentlich sah sie ihren Lebensweg als junge Frau hier, und nicht im Universitätswesen – stets zu sehen. Nichts hat Studierende auf interkulturelle Kommunikation mit mangelnden Sprachkenntnissen besser vorbereiten können als die wilden Szenarien, die sich in ihren Stunden abspielten: Wer den Epos des Tallinner Linienbusses #63 (der Vater eines hyperaktiven dreijährigen Mädchens gerät mit dem Busfahrer und diversen Fahrgästen in Konflikt, da er seine Tochter nicht kontrollieren konnte) durchlebt hat, war auf absolut alles, was in Estland passieren konnte, vorbereitet. Wenn es nicht genug Studierende für alle Rollen gab, hat sie natürlich die übrigen Rollen übernommen.

Weiters war Imbi Sooman die Gründerin und langjährige Präsidentin der Österreichisch-Estnischen Gesellschaft. Vor allem in den 80er Jahren – als Reisen in die damalige Sowjetunion wieder möglich waren, aber der Eiserne Vorhang noch nicht gefallen war – organisierte sie zahlreiche Exkursionen in das Heimatland Ihrer Eltern – sie selber ist als Flüchtlingskind in Schweden aufgewachsen. Für viele Mitarbeitende an der Universität Wien waren diese Reisen die ersten Gelegenheit, das ihnen lang verschlossene Estland persönlich kennenzulernen.

Nach ihrer Pensionierung 2010 blieb sie der Abteilung als Leitfigur in den Ostseeraumstudien erhalten und beteiligte sich weiterhin aktiv in der Organisation kultureller Veranstaltungen. Mitarbeitende unserer Abteilung hatten auch die Freude, mit ihr gemeinsam an einer Filmproduktion teilzunehmen, und konnten sie direkt in ihrem Element erleben.

Imbi Sooman war darüber hinaus höchst aktiv im Rahmen des Verbandes Österreich-Nordische Länder (VÖNL) als Vorstandsmitglied präsent. Sie hat dabei stets die „estnische“ Stimme eingebracht und sich für eine aktive Rolle der bilateralen baltischen Gesellschaften engagiert. Darüber hinaus war es ihr stets ein Anliegen, junge Talente der Skandinavistik in den VÖNL zu integrieren und eine enge Verbindung zwischen dem Verband und der Universität Wien sicherzustellen.

 

Trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit hat sie es im Frühjahr 2020 knapp vor der Pandemie ins Estnische Käsmu, dem Geburtsort Ihrer Eltern und seit der Wende ihr zweites Zuhause, geschafft, und konnte ihre letzten Monate im Kreis ihrer Familie verbringen.

Die estnische Gemeinschaft in Wien und unser Institut werden ohne sie nicht die gleichen sein.

 

 

Jeremy Bradley
Vorstand der Abteilung Finno-Ugristik an der Universität Wien
Arnold Kammel
Präsident des Verbandes Österreich-Nordische Länder